Das letzte Mal
Die Hülle lag da, und die Seele hatte ihr Haus längst verlassen,
war ausgezogen und vom Wind davongetragen worden.
Stolz und schlank ragten die eitlen Birken aus dem moorigen Grund
und ließen den leichten Wind mit den gegilbten Blättchen spielen.
Ein Duft von sumpfig, säuerlicher Erde und warmen Gräsern
vermählte sich mit dem flirrenden Anblick eines schwülen
Spätsommerabends.
Sie waren eingezogen, die freundlichen Helfer,
in der Absicht das Liegengebliebene anzupassen.
Das Summen geflügelter Freunde war nur in direkter Nähe wahrnehmbar
und wurde in das Konzert der raschelnden Blätter
und musizierenden Grillen unauffällig integriert.
Gelegentlich schwärmten sie auf,
störte ein unfreundliches Lüftchen das köstliche Büffet,
doch unverminderten Appetites
kehrten sie eiligst zurück.
Die Tafel war gut besucht, schmackhaft und sie war für alle.
Es war egal wo sie herkam, wie sie herkam,
oder was geschehen war.
Sie wollten ihre Aufgabe erfüllen, sich ernähren,
sich vermehren, zusammen das Totenmal feiern.
Die Hitze des Tages saß im Fleisch und machte es weich und fließend.
Das süße Aroma der Verwesung schwebte schwer über dem Körper,
hing eine Zeit lang zwischen den goldenen Gräsern fest ,
bis der Abendwind es zerstreute und aufnahm.
Der Wirt gab alles und sie nahmen es sich.
Einige Wochen zelebrierten sie ihr Fest,
wurden rund und dick,
glänzend und schimmernd.
In großen Familien verließen sie den Ort.
Kriechende, krabbelnde, rutschende und surrende Gefährten
suchten die nächste Herberge,
das nächste große Fressen
für leise schmatzende Mäuler.
2007
Wasserfall
Objekt fremder Welt,
in schaumgekrönter Herbergsmutter Schoß,
wiegendes Nass.
Mehr Meerwasser, unsichtbare Flut der Augen.
Verwirktes Salz abgetriebener Seelentrauer,
ertrunkener Schmerz.
Entdeckte nährende Liebe,
tanzendes Gezeitenspiel,
überhäufte verzehrende Küsse,
schwimmender Gefährten,
weich schmeckend, auflösend
im Algenhain trostvoll gestreichelt.
Mit der Flut den Leib
auftreibend, aufgetrieben.
Nicht fühlend, die Puppe
mit Krebsaugen sehend,
bewohnt,
gehalten von Felsenküstenkrallen
brandungsbewegt,
belebt doch tot.
Das Brot
Zu erst da dies Korn, klein und dunkel im Boden,
kriecht es nach oben, der Bauer wird´s loben.
Hellgrüne Spitzen, zart blinzelnd zum Licht,
werden sie wachsen, die Erde aufbricht.
Nun räkelt sich hoch was hier wurde gesät,
gedüngt und gepflegt mit Landwirts Gerät.
So lassen gedeihen Sonne und Regen,
hoch wächst das Getreide mit Gottes Segen.
Es steht auf dem Felde und wiegt sich im Wind,
fröhlich raschelnd warme Sommerhalme sind.
Die Ähren sie winken den Sonnenstrahlen zu,
es duftet nach Ernte, das Stroh gibt nun Ruh.
Jetzt wird es verschwinden, die Felder sind leer,
die Reise goldener Früchte ist lange und schwer.
Vom Bauern und Flegel, zu Müllers Mühlstein,
ganz staubig zum Bäcker, in den Ofen hinein.
Hat es so viele Hände arbeiten gesehen,
gibt es so viele Brote, kann nicht verstehen,
ist es nicht genug, kann nicht jeder sich laben?
Viele haben keins, doch knurrenden Magen.